Page 26 - Gehaltvoll 8.2
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Eine Dose Eiskaffee – das wohl
                                                                                größte Geschenk

                                                                                In meiner Ausbildung zur Pasto-
                                                                                ralreferentin war ich auch bei der
                                                                                Klinikseelsorge einer großen Uni-
                                                                                versitätsklinik tätig. An einem eher
                                                                                ruhigen Arbeitstag wurde ich von
                                                                                einer Stationsschwester zu einer
                                                                                Patientin gerufen, die um ein Ge-
                                                                                spräch bat.
                                                                                Diese Frau erzählte mir ihre Le-
                                                                                bensgeschichte mit allen Details,
                                                                                die ihr wichtig und notwendig er-
                        Gibt es ein Geschenk,                                   schienen, und ich durfte ihr mei-
                                                                                ne Zeit geben. Sie berichtete von
                           das du einmal er-                                    durchgängig schwierigen Zeiten
                            halten und nicht                                    und einem menschenverachten-
                                                                                den Umgang mit ihr. So war ich
                          vergessen hast, an                                    einfach da und hörte ihr zu, weinte
                                                                                mit ihr und war vor Ergriffenheit
                           das du all die Jah-                                  in Sprachlosigkeit gehüllt. Gegen


                           re gerne gedacht                                     Ende des Gespräches, als wir über
                                                                                kleine Erfahrungen von Dankbar-
                                    hast?                                       keit, Freundschaft und Liebe nach-
                                                                                dachten, erzählte die Frau von einer
                                                                                Freundin mit ähnlichen Erfahrun-
                                                                                gen, die sie regelmäßig im Kran-
                                                                                kenhaus besucht. Von ihrer Freun-
                                                                                din bekam sie einmal pro Woche
                                                                                zwei Dosen ihres Lieblingseiskaf-
                                                                                fees an das Krankenbett gebracht.
                                                                                Da beide kaum Geld hatten, war
                                                                                dieser Kaffee ein Luxusgut.
                                                                                Bevor ich das Gespräch mit einem
                                                                                Gebet abschloss, bat sie mich, eine
                                                                                Dose ihres wertvollen Kaffees aus
                                                                                dem Schrank zu nehmen und die-
                                                                                sen in einer Pause zu genießen.
                                                                                Diese Frau hatte wirklich nichts,
                                                                                   kaum  Halt  im  Leben,  große
                                                                                   Probleme und wenig Perspekti-
                                                                                   ven. Und doch konnte sie mir
                                                                                   durch dieses Geschenk nach
                                                                                   ihrer Möglichkeit undenklich
                                                                                   viel Liebe, Anerkennung und
                                                                                   Dankbarkeit schenken – dies ist
                                                                                   für mich ein Geschenk, das ich
                                                                                   nie vergessen werde.
                                                                                   (Eva)








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